Führungskraft als Coach? Die Risiken einer Rolle ohne Klarheit

Führungskraft als Coach? Die Risiken einer Rolle ohne Klarheit

Wieder einer dieser Tage, an denen ich durch den endlosen Strom von LinkedIn-Beiträgen scrolle, auf der Suche nach inspirierenden Gedanken oder innovativen Ideen. Zwischen Erfolgsgeschichten und Motivationssprüchen sticht mir plötzlich eine Anzeige ins Auge: „Wenn Führungskräfte coachen können, geht bei Unternehmen die Sonne auf.“

„Hallo?!“ Meine erste Frage lautet: „Was bitte schön passiert hier denn gerade?“  Beim Weiterlesen erfahre ich, dass eine Unternehmensberatung eine Coachingausbildung bewirbt. Sie verspricht nicht weniger als die Lösung aller betrieblichen Probleme durch die Verwandlung von Führungskräften in Coaches. Weiter heißt es dort, dass dadurch auf einmal alle Teamkonflikte gelöst werden und alle an einem Strang ziehen.

Als systemischer Managementcoach, zu dem regelmäßig Führungskräfte in sogenannten Sandwichpositionen kommen, hat mich diese Aussage sofort getriggert. Ich spürte eine Mischung aus Verärgerung und Skepsis – ja fast schon Empörung. Das Versprechen, Führungskräfte könnten durch Coaching-Tools alle Konflikte lösen, fordert mich zu einer Stellungnahme heraus. Was steckt hinter diesem Trend, der so leichtfertig die Rolle des Coaches auf Führungskräfte überträgt? Welche Haltung als Coach wird angesprochen? Womöglich steckt ein anderes Coachingverständnis dahinter?

Die Realität der Sandwichposition und das Dilemma der Doppelrolle

In meiner Praxis erlebe ich oft die Herausforderungen, mit denen Führungskräfte in der mittleren Managementebene konfrontiert sind. Sie befinden sich in der klassischen Sandwichposition – eingeklemmt zwischen den Anforderungen des Top-Managements und den Bedürfnissen ihrer Mitarbeitenden. Diese Position ist per se schon komplex genug. Die Idee, diese Führungskräfte nun auch noch zu Coaches ihrer Mitarbeiter zu machen, erscheint mir mehr als fragwürdig.

Für mich liegt hier das Kernproblem: Nach meinem Coachingverständnis ist ein Coach eine neutrale und absichtslose Instanz, die ausschließlich den Zielen des Klienten verpflichtet ist. Wie soll das funktionieren, wenn die Führungskraft gleichzeitig die Unternehmensinteressen vertreten muss? Aus meiner Sicht entsteht hier ein unlösbarer Rollenkonflikt. Eine Führungskraft kann nicht neutral, objektiv und absichtslos sein.

Führt dieser Rollenkonflikt nicht zwangsläufig zu einer offenen Frage der Vertraulichkeit? Wie soll eine Mitarbeiterin offen über ihre Schwächen oder Unsicherheiten sprechen, wenn sie weiß, dass ihr „Coach“ am nächsten Tag wieder in die Rolle des Vorgesetzten schlüpft, der über Beförderungen oder gar Kündigungen entscheidet?

Die Vertraulichkeit und das Vertrauen – für mich das A und O eines effektiven Coachings: Werden diese Werte dann nicht von vornherein untergraben? Entsteht dann nicht eine Atmosphäre der Unsicherheit, die dem eigentlichen Ziel des Coachings – der persönlichen Entwicklung – diametral entgegensteht?

Foto von Pavel Danilyuk auf www.pexels.com

Das System als Hindernis 

Führungskräfte sind integraler Bestandteil des Unternehmenssystems. Sie agieren innerhalb der Organisationsstrukturen, die oft auch Ursache für die Probleme sind, die im Coaching bearbeitet werden sollen.

Wie ich Coaching verstehe, erfordert es jedoch eine Position außerhalb dieses Systems, um wirklich effektiv sein zu können.

Diese systemische Verstrickung führt meiner Erfahrung nach zwangsläufig zu Interessenkonflikten. Viele der Probleme, die in einem Coaching-Gespräch auftauchen, können direkt oder indirekt mit Entscheidungen oder dem Führungsstil der vermeintlichen „Coach-Führungskraft“ zusammenhängen. Die Führungskraft oft selbst Teil des Problems -wie soll sie dann neutral als Coach agieren?

Was mich beunruhigt, ist die Verwässerung des Coaching-Begriffs, die ich durch solche Trends befürchte. „Jetzt coachen Sie mal eben Ihre Mitarbeiter – und dann geht’s schon wieder“ lautet oft der Hinweis in Unternehmen. Coaching als Zauberwort. Doch was hier als „Coaching“ verkauft wird, ist in vielen Fällen nichts anderes als ein gut gemeintes Mitarbeitergespräch. Coaching wird zu einem Modewort, das inflationär benutzt wird, ohne dass dabei die eigentliche Tiefe und Qualität professionellen Coachings berücksichtigt werden.

Wir leben im Umbruch: Schnelligkeit, Komplexität, Unsicherheitsfaktoren und widersprüchliche Erwartungen nehmen zu. Arbeitswelt und Privatwelt vermischen sich immer mehr.

Coaching ist mehr als die Anwendung gelernter Tools. Coaching beinhaltet mehr als die Kenntnis des GROW-Modells nach Whitmore oder die Technik des Aktiven Zuhörens. Coaching ist für mich eine hochwertige, spezialisierte Dienstleistung. Wenn Mitarbeitergespräche zum „Coaching“ umetikettiert werden, sehe ich die Gefahr, dass der Blick für den tatsächlichen Bedarf an professioneller Unterstützung verloren geht. Werden dann nicht Chancen vertan, echte Veränderungen anzustoßen? Entsteht nicht eher eine Schein-Coaching-Kultur, die mehr der Imagepolierung dient als der tatsächlichen Mitarbeiterentwicklung?

Ein konstruktiver Ausblick: Systemische Interventionen im Führungsalltag

Trotz meiner kritischen Haltung sehe ich durchaus Möglichkeiten, dass Führungskräfte von Coaching-Techniken profitieren können, ohne die Rolle eines vollwertigen Coaches einzunehmen. Aus meiner Sicht liegt der Schlüssel in der gezielten Stärkung kommunikativer Fähigkeiten und dem Einsatz systemischer Interventionen.

In meiner Zusammenarbeit mit Führungskräften erlebe ich immer wieder, wie wertvoll systemische Fragetechniken sein können. Ich kann Impulse setzen, wie mit systemischen Interventionen ein Führungsalltag effizienter gestaltet werden kann. Teilweise können diese Fragetechniken durchaus auch Führungskräfte bei Mitarbeitern anwenden. Es sind beispielsweise Fragen zur Klärung des Anliegens, zirkuläre Fragen, zielorientierte Fragen oder hypothetische Fragen. Sie können Führungskräften helfen, bessere Gespräche zu führen und ihre Mitarbeiter zu unterstützen.

Dabei muss die klare Trennung zwischen Führungsrolle und professionellem Coaching gewahrt bleiben. Die Führungskraft verbessert ihre Kommunikation und ihr Verständnis für systemische Zusammenhänge, ohne in die Rolle eines Coachs zu schlüpfen.

Fazit: Klare Grenzen für effektive Führung und Coaching

Lasst uns doch bitte die Grenzen zwischen Führung und Coaching klar ziehen. Führungskräfte sollten ihre kommunikativen Fähigkeiten verbessern und systemische Denkansätze in ihren Führungsstil integrieren – jedoch ohne den Anspruch, gleichzeitig Coach zu sein. Eine Führungskraft kann niemals neutral, objektiv und absichtslos sein.

Nur wenn wir diese Grenzen respektieren, können sowohl Führung als auch Coaching ihre volle Wirkung entfalten. Die „Sonne“ in Unternehmen geht meiner Überzeugung nach nicht durch Alleskönner auf, sondern durch klare Rollen, professionelle Spezialisierung und den gezielten Einsatz systemischer Interventionen im Führungsalltag.

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Lässt sich Führung teilen? Chancen und Stolpersteine von Tandem-Leadership

Lässt sich Führung teilen? Chancen und Stolpersteine von Tandem-Leadership

Führung muss nicht immer allein erfolgen. Immer öfter entscheiden sich Unternehmen für Tandem-Führungsmodelle. Warum? Weil zwei Köpfe mehr wissen als einer.

Die E-Mail ploppte in mein Postfach. „Guten Tag Herr Mohr, im März haben meine Kollegin und ich als Tandem anteilig die Bereichsleitung einer sozialen Einrichtung in Reutlingen übernommen.“ Zwei Frauen, voller Energie und Tatendrang, aber auch mit einigen Herausforderungen. „Wie schaffen wir es, unsere Stärken zu bündeln und gleichzeitig unsere unterschiedlichen Arbeitsweisen zu vereinen?“ Ihre Fragen waren der Beginn einer intensiven Zusammenarbeit. Gemeinsam haben wir Lösungen gefunden und gezeigt, dass Führung im Tandem nicht nur möglich, sondern auch bereichernd ist.

Kurz darauf folgte eine ähnliche Anfrage aus Tübingen. Ein weiteres Führungstandem, das von den positiven Erfahrungen meiner ersten Klientinnen gehört hatte. „Auch wir in Tübingen teilen uns die Leitung in einer sozialen Einrichtung. Auch wir wünschen uns ein Coaching zur Verbesserung und Stärkung unserer Arbeit, zur Weiterentwicklung und Strukturierung der Aufgaben, zur Klärung unserer Arbeitsaufträge und zur sinnvollen Aufteilung der anfallenden Arbeiten – und um weiterhin Freude an der Leitungsarbeit zu haben.“ Die Geschichte wiederholte sich. In meinen Coaching-Sitzungen mit den Tandems wurde schnell klar: Die Dynamik zwischen den beiden Partnerinnen ist jedes Mal einzigartig. Manchmal ergänzen sie sich wie Puzzle-Teile, manchmal stoßen sie aufeinander und müssen Kompromisse finden. Doch eines haben alle gemeinsam: den Wunsch nach einer erfolgreichen Zusammenarbeit und der Weiterentwicklung ihrer Führungskompetenzen. Ich begleitete sie dabei, ihre Stärken zu bündeln, ihre Kommunikation zu verbessern und gemeinsam Lösungen für Herausforderungen zu finden. Dabei stellte ich fest, dass Führungstandems nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden erhöhen können. Denn sie erleben eine Führung, die von Wertschätzung, Zusammenarbeit und gegenseitigem Vertrauen geprägt ist.

Teilzeitführung: Die Chancen

Teilzeitführung bietet gute Chancen – sowohl für Führungskräfte als auch für Unternehmen. Als Coach sehe ich gute Potenziale, wie Führungstandems eine Work-Life-Balance verbessern können. Auch in puncto Effizienz und Fokus zeigen sich die Vorteile schnell. Führungskräfte, die in Teilzeit arbeiten, müssen ihre Zeit klarer priorisieren und konzentrieren sich verstärkt auf das Wesentliche. Dies führt nicht selten zu einer gesteigerten Produktivität und zielorientiertem Handeln. Ein Ergebnis im Coachingprozess war, wie zwei Tandempartnerinnen durch präzise Absprachen und eine klare Aufgabenverteilung ihre Effizienz massiv steigern konnten.

Die Einführung von Teilzeitführung kann zudem eine innovative Führungskultur im Unternehmen fördern. Eine meiner Klientinnen bemerkte: „Wenn es erstmal rund läuft, ist es unschlagbar in einer Organisation zu arbeiten, das flexible Arbeitsmodelle unterstützt und uns entsprechende Freiheiten gibt.“ Solche Modelle ziehen Talente an und steigern die Attraktivität des Unternehmens.

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Teilzeitführung: Die Risiken

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Teilzeitführung bringt Herausforderungen mit sich. Die Abstimmung und Koordination zwischen den Tandempartnern erfordert eine exzellente Kommunikation und klare Prozesse. Ich habe erlebt, wie Missverständnisse und Doppelarbeit entstehen können, wenn diese Aspekte vernachlässigt werden. Das Tandem, das ich coachte, kämpfte zunächst mit der Abgrenzung ihrer Verantwortlichkeiten, bevor sie durch strukturierte Meetings und definierte Kommunikationswege ihre Zusammenarbeit optimierten.

Die Erreichbarkeit ist ein weiterer kritischer Punkt. Führungskräfte müssen sicherstellen, dass sie trotz reduzierter Arbeitszeit für ihre Mitarbeiter und Kunden verfügbar sind. Hier sind klare Regelungen und Notfallpläne essenziell. Das Führungstandem, das ich betreute, konnte ein ausgeklügeltes System von Vertretungsregelungen entwickeln, um sicherzustellen, dass immer jemand ansprechbar war.

Teilzeitführungen können das Gefühl haben, gegenüber Vollzeitkräften benachteiligt zu sein. Es erfordert eine offene Unternehmenskultur und ein klares Bekenntnis zur Wertschätzung von Teilzeitarbeit, um diese Bedenken auszuräumen. Eine Organisation, die ich begleitete, führte regelmäßige Feedbackgespräche ein und betonte die Gleichwertigkeit von Teil- und Vollzeitführungen.

Voraussetzungen für den Erfolg von Führungstandems

Die erfolgreiche Umsetzung von Führungstandems erfordert eine sorgfältige Vorbereitung und die Schaffung eines förderlichen Umfelds. Neben den bereits genannten Voraussetzungen sind folgende Aspekte von besonderer Bedeutung:

Unterstützende Unternehmenskultur: Eine offene und wertschätzende Unternehmenskultur fördert die Zusammenarbeit und das Vertrauen zwischen den Führungskräften und ihren Mitarbeitern. Sie schafft einen Raum für Innovation und ermöglicht es, neue Ideen auszuprobieren.

Gemeinsame Werte und Ziele: Beide Führungskräfte sollten eine gemeinsame Vision und ähnliche Werte teilen. Dies bildet die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und eine gemeinsame Ausrichtung.

Kompetenzprofil: Die beiden Partner sollten sich in ihren Kompetenzen ergänzen. Eine optimale Kombination aus strategischem Denken, operativer Stärke, Kommunikationsfähigkeit und sozialen Kompetenzen ist von Vorteil.

Rollenklarheit: Eine klare Definition der Rollen und Verantwortlichkeiten ist unerlässlich, um Konflikte zu vermeiden und eine effiziente Zusammenarbeit zu gewährleisten.

Kommunikationskultur: Eine offene und transparente Kommunikationskultur ist das Herzstück einer erfolgreichen Tandem-Führung. Regelmäßige Austauschformate und Feedback-Gespräche sind unerlässlich.

Konfliktfähigkeit: Konflikte sind ein natürlicher Bestandteil jeder Zusammenarbeit. Die Fähigkeit, Konflikte konstruktiv anzugehen und gemeinsam Lösungen zu finden, ist daher entscheidend.

Flexibilität: Die Bereitschaft, sich auf Veränderungen einzulassen und neue Perspektiven einzunehmen, ist für den Erfolg eines Führungstandems unerlässlich.

Unterstützung durch die Unternehmensleitung: Eine klare Unterstützung durch die Unternehmensleitung ist essentiell. Dies beinhaltet die Bereitstellung von Ressourcen, die Anerkennung der neuen Führungsstruktur und die Schaffung eines positiven Rahmens.

Fazit

Teilzeitführung bietet großartige Chancen, wenn die richtigen Voraussetzungen erfüllt sind. Durch sorgfältige Planung, klare Absprachen und gegenseitiges Vertrauen kann sie zu einer bereichernden Erfahrung für alle Beteiligten werden. Wenn dies der Fall ist, können Unternehmen von höherer Motivation und Leistung ihrer Mitarbeiter, einer innovativen Unternehmenskultur und der Gewinnung von Top-Talenten profitieren. Führungskräfte können ihre Work-Life-Balance verbessern, ihre Effizienz steigern und ihre persönliche Weiterentwicklung vorantreiben.

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